Reise in den Süden und wieder zurück

Anfangs Juni starten wir die grosse Tour des sog. „FOSvelos“ Schulprojektes. Wir sind 21 Liegeradpiloten. Die meisten haben auf ihrem selbstgebauten Liegerad lediglich etwas 120km Erfahrung. In sieben Tagen möchten wir die 770 km bis Nizza bewältigen – mit Gepäck und ohne Begleitfahrzeug.

Auf der ersten Etappe von Basel an den Neuenburgersee erwarten uns 130km mit etwa 780 Höhenmeter. Es läuft nicht alles wie geschmiert, dennoch haben auch die Letzten um Mitternacht auf dem Campingplatz ihre Teigwaren verzehrt. Am nächsten Tag geht es weiter: Am See entlang, dann in die Hügel und hinunter an den Genfersee. Dort angekommen, machen wir eine lange Pause mit intensiven Gesprächen. Diese führen uns die Realität des Durchhaltens vor Augen. Auf einer Motivations-Skala von Null bis Zehn haben wir in unserer Gruppe fast die komplette Spannbreite. Sonnenbrand und Knieschmerzen setzten Einigen zu.

Nach vier Tour-Tagen und über 400km ist unser Team immer noch komplett. Nun steht die Königsetappe unserer Reise in den Süden an. Diese führt uns über den Col de la Croix Haute, ein schöner Pass mit 1179 MüM. Die ersten beiden Fahrer verlassen um fünf Uhr morgens unser Lager, um mit etwas Vorsprung in die Berge der Haute-Provance zu fahren. Bald folgen steile, schweißtreibende Rampen. Ich selbst fahre als Schlusslicht, beinahe im Schritttempo den Berg hoch. Vor dem Pass verläuft die Straße entlang der Bergflanke oberhalb einer Hochebene. Die Landschaft ist wunderschön. Weniger schön ist der Schwerverkehr. Abends um 22 Uhr passiert die letzte Gruppe nach über 150 km die imposante Klus von Sisteron. Wir nehmen uns Zeit für ein paar Fotos und schauen von der Brücke aus auf die beleuchtete Festung der historischen Stadt.

Sieben Tage nach unserem Start stehen wir an der Meerespromenade von Nizza. Wir jubeln, gratulieren uns gegenseitig und sind glücklich. Am späten Nachmittag wird gekocht und wir nehmen eine riesige Portion Teigwarensalat mit auf die Fähre nach Korsika. Gemeinsam im Abendlicht draussen auf Deck verspeisen wir das vorbereitete Essen. Wir blicken entlang dem Heckwasser zurück zur Stadt, deren Lichter langsam am Horizont verschwinden.

Das Schulprojekt FOSvelos wird seit 15 Jahren einmal jährlich durchgeführt. Lernen am Projekt ist für die Privatschule „FOS Freie Mitteschule“ seit der Gründung ein wichtiger Bestandteil. Das erste große Schulprojekt hatte damals Wellen geschlagen. Jugendliche bauten mit ihrem Lehrer zwei Hochsee-Katamarane. Die Segelboote sind seither im Mittelmeer und dem Atlantik unterwegs. Die Wellen gehören zum Segelalltag, und dass junge Menschen an Bord sind ebenso. Wenn wir heute mit Schülerinnen und Schülern Liegeräder bauen, dann geht es auch darum, eine Möglichkeit zu schaffen, ökologisch zu diesen beiden Segelbooten zu gelangen. Die Abenteuerlust und die sagenhaften Buchten von Korsika und Sardinien ergeben ein Ziel, das unschlagbare Motivationskraft mit sich bringt.

Für unser ganzes Team haben die beiden Katamarane dieses Jahr zu wenig Platz. Also teilen wir uns so auf, dass jeweils eine kleine Gruppe in die korsischen Berge fährt. Und so setzt sich unsere abenteuerliche Reise fort. Manchmal schlafen wir draußen ohne Zelt, manchmal in der Schiffskoje oder auf dem Netz zwischen den Rümpfen direkt über dem klaren Meerwasser. In Genua treten wir die Rückreise in den Norden per Liegerad an, nachdem die eine Gruppe von Sardinien und die anderer von Korsika mit der Fähre übergesetzt hat. Vereint geht es durch die Stadt und anschliessend bergauf ins Küstengebirge. Sollten wir es rechtzeitig auf den letzten Schultag zurück nach Basel schaffen, denn müssen wir noch am gleichen Tag den Lago Maggiore erreichen. Es folgt ein sehr, sehr langer Tag: Die Poebene zieht sich in die Länge, der Verkehr ist unangenehm und das Wetter wird schlechter. Im Regen und bei Nacht fahren wir weiter bis zum Camping am Südufer des Sees. Nach 190km treffen wir uns erschöpft  in einer kleinen Imbissbude. Selten hat ein Süssgetränk so süss geschmeckt.

Der nächste Tag ist besser. Bei guten Bedingungen fahren wir dem Ostufer entlang Richtung Schweiz. In Luino gehen wir Einkaufen und lassen unsere Kleider trocknen, nachdem uns doch noch ein Regenschauer überrascht hat. Nachmittags überqueren wir die Grenze, am Abend, noch bei Tageslicht, erreichen wir den Campingplatz nördlich von Bellinzona. Dort nimmt unsere Reise eine unerwartete Wende. Das Tessin wird von Dauerregen und Gewittern überrollt. Bei solchen Bedingungen ist es unmöglich den Gotthardpass mit seinen über 2100 Metern zu überqueren. Schweren Herzens - schliesslich haben wir vollen Einsatz gegeben für eine termingerechte Ankunft - entscheiden wir uns für eine Rückfahrt nach Basel per Zug. Und so sind wir überraschend schnell bereits am nächsten Abend zuhause.

Zweieinhalb Monate später fahren wir langsam aber stetig auf dem weltbekannten Kopfsteinpflaster der Tremola Richtung Gotthardpass. Wir wollen uns dieses Erlebnis nicht entgehen lassen und holen die verpasste Etappe nach. Es ist Montag 8:30 Uhr und wir haben bereits eine dreistündige Zugreise quer durch die Schweiz hinter uns. Ohne Gepäck ist die Steigung bedeutend angenehmer. Es ist ein herrlicher Tag und perfektes Radwetter. Wir machen Geographieunterricht: Bergab durch die Schöllenenschlucht, mit dem Personenschiff vorbei an der Tellsplatte und dem Schillerdenkmal und später per Liegerad quer durch Luzern. Das glückliche Gejammer aus Erschöpfung nach 180km zurück am Rheinknie im Norden der Schweiz bleibt uns in guter Erinnerung.

 

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