Wolkenfetzen ziehen an der imposanten Bergflanke am Nordwestufer des Silsersees vorbei. Etwas wehmütig sitzen Carmela und ich am gegenüberliegenden Ufer und erhaschen die letzten Sonnenstrahlen. Dann packen wir unsere Sachen, sitzen auf unsere Räder und fahren los, das weite Tal hinunter durch die jahrhundertalten Erholungsstätten des Oberengadins. Die Farben der Seen sind faszinierend, der Wind ein stetiger Begleiter, die Berge spektakulär. Auf dem Kiesradweg fahren wir 15 km und machen nach St Moritz am Lej da Statz, in dessen Wasseroberfläche sich die Berge spiegeln, eine kurze Rast. Später fahren wir weiter bis nach la Punt, das wir gerade noch mit dem letzten Tageslicht erreichen. Dies war die letzte unserer sechs Tagestouren im Engadin.
La Punt ist während einer Woche unser Ausgangspunkt für verschiedene Ausflüge. Erholung, Sport und Genuss ist unser Programm.
Schon beim ersten Frühstück lenkt mich die Sicht auf die untersten Serpentinen des Albulapasses vom Essen ab. Aber heute gehts ins Val Roseg. Bei gutem Wetter mit wunderschönen Quellwolken fahren wir auf den immer steiler werdenden Kieswegen, vorbei an der Alp Prüma bis zum Hotel Roseg Gletscher. Dann gehts im Prinzip weiter zu Fuss, die passenden Schuhe haben wir dabei, doch mein Alpentourer AT1 kommt trotzdem mit - er hat Fototermin.
Am zweiten Tag fahren wir auf den Albulapass. Über sechs Kilometer gehts 560 Höhenmeter bergauf. Ein Krampf, der jedoch mit nur wenig Gepäck keine Leidensgeschichte ist. Die karge Landschaft oberhalb der Baumgrenze ist beeindruckend. Nach einer Pause und dem obligaten Passfoto fahren wir die ersten 100 Höhenmeter bergab. Dann wechseln wir unser Schuhwerk und wandern hoch zu einem kleinen Bergsee und geniessen die frische Bergluft.
Die fulminante Abfahrt unterstreicht die Sinnhaftigkeit des guten Rad- und Bremswerks unserer Tourenräder. Die steilen Serpentinen zwischen den Viadukten des Unesco Weltkulturerbes der Rhätischen Bahn sind atemberaubend. Die Tagestour endet im charmanten Bergdorf Bergün, wo wir unsere Räder in die Bahn verladen, die anschliessend sieben Mal die Talseite wechselt und mit Tunnelkehren zurück ins Engadin fährt.
Der dritte Ausflug beginnt bei einem Fahrradgeschäft in Celerina. Vor uns stehen zwei vollgefederte Mountain Bikes. Der Suvretta Loop ist eine bekannte Bike-Route im Engadin. Leider ist das Terrain definitiv ungeeignet für den AT1 - sogar ein Fully kommt da schon Mal an seine Grenzen. Die Bergfahrt bis auf 2700 m.ü.M. ist schweisstreibend, aber lohnenswert. Bei einer Aussicht auf den türkisfarbenen Silvaplanasee schlängelt sich der Single Trail unterhalb des Piz Nairs in Richtung Suvretta Pass. Die Abfahrt durch das hochalpine Gebiet ist eindrucksvoll, lang aber auch anstrengend. In Spinas, dort wo die Rhätische Bahn den Albulatunnel verlässt und wir gestern noch im Zug sassen, schmerzen unsere Hände.
Der vierte Tag wird ein Wandertag. Die Fahrt mit der Standseilbahn auf die Muottas Muragl ist teuer. Ja, im Oberengadin ist fast alles teuer. Die Lage, die Landschaft und die extrem gut ausgebaute Infrastruktur haben ihren Preis. Über hundert Jahre Badekuren- und Alpintourismus und über 50 Jahre Winterturismus haben das Tal verändert. Die pompösen Grandhotels der goldenen Zeit vor dem 1. Weltkrieg prägen noch heute das Erscheinungsbild der grösseren Ortschaften. Die Bahn rumpelt steil den Hang hoch. Von Oben sieht man bis nach Maloja, das obere Ende des Engadins. Einmal mehr wandern wir zu einem wunderschönen Bergsee und von dort aus hoch auf die Passhöhe Fuorcla Muragl. Eigentlich wollten wir den Piz Vadret - ein 3000er - erklimmen, doch oberhalb eine Geröllhalde und unterhalb eines Dutzend Gämsen wird uns das weglose Kraxeln zu ungemütlich. Zwei Stunden später sind wir wieder zurück beim Berghotel, wo wir ein kühles Bier geniessen und später dann wieder in die Standseilbahn steigen und talwärts fahren.
Der Freitag bringt Regen und Abkühlung. Viel Regen, deshalb steht Erholung im Thermalbad von Scuol auf unserem Programm. Scoul liegt im Unterengadin und ist von la Punt aus per Bahn in einer Stunde erreichbar. Das geht aber auch mit dem AT1, und so mache ich eine 40km lange Trainingsfahrt. Es ist eine rasante Talfahrt, die bei Nässe manchmal knifflig ist, wenn man die Geschwindigkeitsvorzüge des AT1 in vollen Zügen geniesst. Nach anderthalb Stunden freue ich mich dann aber so richtig aufs warme Nass der Therme. Es ist die perfekte Erholung und Regeneration. Den Heimweg geniessen wir gemeinsam im roten Bähnchen und schauen hin und wieder in die Schluchten hinunter, in denen sich das braun gewordene Wasser des Inns durchs Tal schlängelt.
Eine Woche ist schnell vorbei. Was bleibt sind die schönen Erinnerungen und die Fotos. Diese rufen vielleicht nicht nur bei uns zwei Urlaubern Emotionen hervor, sondern zeigen auch im Allgemeinen die breiten Möglichkeiten eines leistungsfähigen Tourenrads. Alltag, Tour, Trainings- und Genussfahrten - alles kein Problem. Doch im hochgelegenen, sommerlichen Engadin fühlt sich der Alpentourer natürlich richtig zuhause.
Florian Wolf